Grundlagen „echter“ Führung, nicht nur auf Segelyachten
Es wird schnell dunkel. Es stürmt. Plötzlich einsetzender Regen reduziert die Sicht von einem auf den anderen Augenblick auf wenige Meter. Es wird kalt. Blitze werfen ihr diffuses Licht auf eine gespenstige Szenerie. Die 15 Meter lange Segelyacht wird von meterhohen Wellen durchgeschüttelt und der ohrenbetäubende Lärm von Wind und Wasser macht eine Verständigung schwierig. Was als sonniger Tag begann findet seinen Ausklang in einem veritablen Sommergewitter.
Der Schiffsführer, auch als Skipper bezeichnet, steht neben dem Steuermann. Er atmet tief und gleichmäßig. Anspannung – ja. Unruhe oder gar Angst - Fehlanzeige. Er weiß was er tut. Und vor allem weiß er, was seine Crew tut. Er kann sich auf die Crew verlassen und sie auf Ihn. Die Kommunikation läuft ruhig und professionell. Der Skipper geht unter Deck und lässt sich vom Navigator und Funker, dem auch die Wetterbeobachtung obliegt, die Lage beschreiben. Die beiden diskutieren. Entscheidungen fallen. Dann informiert der Skipper den Steuermann.
Der Skipper strahlt Ruhe aus und vermittelt der Crew, dass sie allen Grund hat, die selbe Ruhe zu empfinden. Nicht weil er gut ist, sondern wie sie es sind.
Auf einer Segelyacht wird schneller als im Unternehmen deutlich, dass die Grundlage „echter“ Führung, die sichere Führung der eigenen Person ist. Die erfolgreiche Führung der Crew hingegen ist quasi die beiläufige Folge guter Selbstführung.
Was gute Führung auf einer Segelyacht ausmacht beschreiben die folgenden neun Grundsätze guter Schiffsführung:
1. Klarheit über die eigene Rolle als Führungskraft
Der Leuchtturm kann dem Skipper nicht nur in Sachen Navigation, sondern auch mit Blick auf den Führungsstil eine wichtige Orientierung sein:
Er gibt die Möglichkeit zur Standortbestimmung.
Er eröffnet Perspektiven und ermöglicht Richtungsentscheidungen.
Er managed nicht, er führt.
Er weist der Schifffahrt den Weg, überlässt ihr aber die Organisation der Fahrt.
Wir kennen das unter dem Begriff „dienende Führung“. Der seiner Crew dienende Skipper, wird von dieser nicht selten zum Erfolg „getragen“.
2. Relative Unwichtigkeit von Fachkompetenz
Ohne entsprechende Lizenzen vertraut niemand einem Skipper sein Schiff an. Das ist die „Eintrittskarte“. Mehr aber auch nicht! Die Crew hingegen beurteilt primär, ob sie auf Augenhöhe ernstgenommen wird, ob ihre Fähigkeiten anerkannt werden, ob jeder einzelne als Person wertgeschätzt wird etc..
Der Erfolg des Skippers setzt sich zu 80% aus sozialer Kompetenz und nur zu 20% aus Fachkompetenz zusammen. Fachliche Fehler des Skippers werden von der Crew hingenommen (solange es nicht zu viele sind). Eine einzige Unbeherrschtheit oder fehlende Sensibilität für die Stimmung hingegen, kann das Vertrauen in die Führung nachhaltig erschüttern.
3. Innere Ruhe
Wie findet der Skipper in der eingangs beschriebenen Sturmfahrt zu der tief empfundenen, inneren Ruhe? Im Wesentlichen sind es folgende Voraussetzungen:
Er kennt die Stärken von sich und seiner Crew
Die Allen bekannten, und von Allen gelebten, gemeinsamen Werte sind die Grundlage der Zusammenarbeit
Er hat sein Team zu nachhaltig wirksamer Führung aus sich selbst heraus befähigt und kann sich auf das Schiff als Ganzes konzentrieren, ohne sich im Detail zu verlieren
Auf diesem Wege dient er der Crew, die diesen Überblick aufgrund ihrer spezifischen Aufgaben nicht haben kann
Häufig vernachlässigt, haben auch folgende Aspekte gravierenden Einfluss:
Ausreichend Schlaf
Gesunde Ernährung
Bewegung und körperliche Fitness
Verzicht auf Nikotin und Alkohol
4. Weitblick und Achtsamkeit
Da dem Segler die Kontrolle über seine Umwelt fehlt, bekommen Weitblick und Achtsamkeit eine besondere Bedeutung. Es gilt frühzeitig Alternativen zu erarbeiten und Handlungsmöglichkeiten abzuwägen. Auch ein Sommergewitter kündigt sich an. Ein frühzeitiges und ausführliches Briefing, was der Crew bevorsteht und der Diskussion, wie man damit umgehen will, ist sicher ein entscheidender Faktor. Vorausschauendes Handeln vermeidet Stress.
5. Jeder ist ersetzbar, auch der Skipper
Jedes Crewmitglied hat spezielles Knowhow. Gleichwohl ist es unbedingt erforderlich, dass grundsätzlich Jeder jede Position besetzen kann und können muss. Der im Training durch Job-Rotation immer wieder vollzogene Perspektivwechsel, erhöht nebenbei die Akzeptanz und das Verständnis für die Rolle des Anderen und fördert die reibungslose Zusammenarbeit. Auch der Skipper muss ersetzbar sein. Hierzu muss er sich im Training in besonderem Maße zurückhalten können um Raum für Erfahrungen zu ermöglichen.
6. Intensive und eindeutige Kommunikation
Je kritischer die Situation, desto intensiver und eindeutiger wird kommuniziert, um Missverständnisse und Fehlverhalten zu vermeiden. Sagen was wichtig ist, nicht mehr und nicht weniger, dass ist die Maxime. Herrschaftswissen verbietet sich auf einer Segelyacht von selbst. Vorhandenes Wissen muss allen zur Verfügung stehen.
Übrigens: Intuitiv richtige Entscheidungen, wie sie auf Segelyachten häufig vorkommen, sind letztendlich immer das Ergebnis geschulter Intuition, die wiederum das Ergebnis hoher Quantität und Qualität von Erfahrungen ist. Briefings vor, und Debriefings nach einer bestandenen Situation sind hierfür unersetzlich. Vor allem die Debriefings dienen dem Verstehen und Nachvollziehen und ermöglichen die entscheidenden „Learnings“. Kein professioneller Skipper käme auf die Idee, sich die Zeit hierfür zu sparen.
7. Disziplin
Es werden Absprachen getroffen, zu deren Einhaltung sich alle verpflichten. Manöver werden schrittweise abgearbeitet. Ein eigenmächtiges Überspringen von Arbeitsschritten gefährden den Erfolg und im schlimmsten Fall die Gesundheit oder das Leben anderer Crew-Mitglieder. Jedes Crew-Mitglied hat seine Aufgabe. Die eigene Aufgabe bekommt die volle Konzentration; immer. Darauf müssen sich die Anderen verlassen können.
Disziplin zeigt sich auch in ungewohnten Bereichen wie z. B. bei der Einhaltung von Ruhezeiten. Sie Sicherheit Aller verlangt nach einer ausgeruhten Crew. Das erfordert, dass die freien Zeiten auch diszipliniert zum Ausruhen und Schlafen genutzt werden.
8. Motivierende, gemeinsame Zielvorstellung
Das Team funktioniert dann am besten, wenn es ein gemeinsames Ziel hat. Die Aufgabe des Skippers ist es, die gemeinsame Zielfindung zu fördern. Ist das gemeinsame Ziel für alle verbindlich definiert, gilt es dieses auch und insbesondere unter widrigen Umständen am Leben zu halten und immer wieder in Erinnerung zu rufen. Das ist eine der wichtigsten Aufgaben des Skippers zur Förderung der mentalen Fitness der Crew und auch seiner selbst.
9. Individuen treten in den Hintergrund - auch der Skipper
Gewonnen und verloren wird immer gemeinsam. Das gilt auf einer Segelyacht in besonderem Maße. Für den Skipper gilt es, alle Crew-Mitglieder „mitzunehmen“, denn Zurückgelassene belasten das Klima nachhaltig.
Das heißt aber nicht, auf alles mit Verständnis zu reagieren. So ist es am Skipper darauf zu achten, dass keiner aus der Reihe tanzt oder nicht bereit ist, sich auf veränderte Bedingungen einzustellen. Hier muss der Skipper Führungsstärke zeigen, insbesondere um denen gerecht zu werden, die sich an die Absprachen halten und ihr Handeln an den Erfordernissen orientieren.
Warum aber funktioniert das alles auf Segelyachten und nur selten im Unternehmen? Hierauf habe ich eine gleichermaßen provokante wie vermutlich zutreffende Antwort:
Weil es im Unternehmen um nichts geht (außer um Arbeitsplätze und Geld)!
Würde der Skipper einer Segelyacht so führen, wie auch heute leider noch viele Unternehmen geführt werden, käme die lebende Rückkehr eher einem Zufall gleich. Es geht um Menschenleben – auch im Unternehmen! Darüber lohnt sich nachzudenken.
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Oliver Hofmann (Geschäftsführer).