Das Leben ist nicht vorhersehbar. Eine einfache Wahrheit, die unser Leben, privat und beruflich, jedoch enorm verkompliziert. Nichts geschieht zu 100 Prozent so, wie wir es geplant haben. In den vergangenen Monaten ist uns das in einer Deutlichkeit vor Augen geführt worden, wie selten oder nie zuvor. Die Corona-Krise hat die Welt in unvorstellbarem Maße durchgerüttelt, die Märkte, unser Business und unseren Alltag auf den Kopf und Vieles in Frage gestellt. Vielen fällt es nicht leicht, die Pandemie bedingten Rahmenbedingungen anzunehmen oder ihnen sogar etwas Positives abzugewinnen. Zumal sie uns zwar alle betreffen, doch auf sehr verschiedene Weise und mit unterschiedlicher Vehemenz.
Wie sollen und wollen wir unter den aktuellen Bedingungen weitermachen? Was ist für unser Unternehmen und uns selbst das Richtige? Keine leichten Fragen. Schließlich gibt es weder Referenzen noch Benchmarks oder Patentlösungen. Was uns trotz allem aber bleibt, ist Entscheidungsspielraum. Wir können wählen: Erstarren wir angesichts der Ungewissheit und verausgaben uns beim Bemühen mit alten Instrumenten der neuen Situation irgendwie Herr zu werden oder können wir dem Unbekannten offen, wach und neugierig begegnen?
„The greatest danger in times of turbulence is not the turbulence; it is to act with yesterday’s logic.“ (Peter F. Drucker)
Wenn es uns gelingt, uns Neuem mit Interesse, Entdeckerfreude oder sogar Abenteuerlust, zu stellen, wenn wir uns wagen, uns einzulassen, uns selbst zu trauen und zu improvisieren, stehen die Chancen gut, dass wir lernend, wachsend und positiv aus dieser Prüfung hervorgehen.
Vorhersehbarkeit bedeutet Langeweile
Dass nichts zu 100 Prozent so läuft, wie geplant, macht Pläne keines Falls überflüssig. Im Gegenteil – Pläne sind sinnvoll und absolut notwendig. Wichtig zu wissen oder vielmehr wichtig zu akzeptieren, ist lediglich, dass Pläne ein theoretisches Konstrukt sind, von denen sich das Leben nicht beeindrucken lässt. Was beim Annehmen dieser Tatsache ungemein hilft: Würde immer alles nach Plan verlaufen, wäre alles vorhersagbar, wäre das ganz sicher unendlich langweilig. Das Leben ist nun einmal impulsiv und unberechenbar. Und das ist gut so, wenngleich es nicht immer leicht ist, damit umzugehen.
Was tun, wenn nun alles so wenig vorhersagbar und planbar ist?
Es gibt eine Disziplin bzw. eine Haltung, die darauf abzielt, ad hoc auf neue Herausforderungen und flexibel und schnell auf Unbekanntes reagieren zu können. Eine Disziplin, die seit vielen Jahrzehnten erfolgreich in unterschiedlichsten Kontexten gelehrt, gelernt und gelebt wird: die Improvisation. In der Musik, z.B. im Jazz, in der Theaterarbeit und anderen zu meist künstlerischen Kontexten ist Improvisation ein ganz selbstverständlicher Teil des Trainings, der Praxis oder auch des Bühnenprogramms und absolut positiv belegt.
Improvisieren stellt also keine Notlösung dar, sondern ist vielmehr die Königsdisziplin. Schließlich bedeutet Improvisieren, genau jetzt anzunehmen, was gerade ist und genau jetzt darauf zu reagieren. Nicht mehr und nicht weniger. Von dieser Fähigkeit können Unternehmen und Führungskräfte aktuell stark profitieren.
Improvisieren: Mehr als nur Theater
Um mit den Assoziationen rund ums Improvisationstheater aufzuräumen: Es geht nicht um schnelle Gags, Originalität um jeden Preis oder darum einzelne Akteure in den Vordergrund zu stellen. Es geht darum, Aufmerksamkeit und Präsenz zu schulen und den intuitiven kreativen Umgang mit sich selbst, der Gruppe und Unvorhersehbarem zu trainieren. Und es geht darum das Zusammenspiel in der Gruppe und die permanente Verantwortung aller für den Gesamtprozess zu erfahren. Es geht also um exakt das, was derzeit von vielen Menschen gefordert und von vielen Unternehmen gebraucht wird. Und zwar nicht bei Business-Theater Auftritten, sondern in der alltäglichen Arbeit. Deshalb ist es absolut lohnenswert sich der Techniken und Methoden der Improvisation zu bedienen und sie auf unser Geschäfts- und Privatleben zu übertragen.
Wie geht das?
Es braucht das Ausprobieren, oft partielle Unterstützung von außen und es ist ein Prozess, der Zeit braucht, denn mit der Zeit und vermehrten positiven Erfahrungen wächst das Vertrauen bei Führungskräften und Mitarbeiter*innen, dass Improvisieren bessere Ergebnisse für die Organisation bringt. Darüber hinaus wird diese Art der Arbeit aber auch als entspannter, wirksamer, lebendiger erlebt. Als gleichsam befreit vom Balast dysfunktionaler Strukturen. Und optimal ist natürlich eine Kombination aus Planung und Struktur– und Improvisation, denn beides hat seinen Wert.
Ja sagen, zu dem was ist!
Ein zentraler Punkt der Improvisation ist das Annehmen der Realität. Wie oft kommt es vor, dass ein Businessplan von der Realität überholt wird, die Verantwortlichen aber lange damit beschäftigt sind, die Annahmen immer wieder anzupassen, damit das gewünschte Ziel nicht verändert werden muss. Ein sinnloses Unterfangen, denn am Ende gewinnt immer die Realität. Dieses Festhalten und Verharren bindet Ressourcen und macht langsam und unflexibel. Die Improvisation akzeptiert die Realität und geht mir ihr um. Das so genannte „Ja, ... und... -Prinzip“: Ja, ich akzeptiere das, was ist und jetzt gebe ich einen Impuls und dann ist wieder das Leben am Zug. Und das ist genau das, was die aktuelle Situation von uns fordert. Die Pandemie war weder gewünscht noch geplant, dennoch ist sie da. Sie gibt nun den Rahmen vor, innerhalb dessen wir aber weitermachen und gestalten können.
Es gibt keine Fehler, nur Ereignisse auf die spontan reagiert wird
Weitere zentrale Punkte der Improvisation: Es gibt keinen unveränderlichen Plan und keine Fehler. Es gibt lediglich Ereignisse, mit denen es flexibel umzugehen gilt. Eine Grundannahme, die davor bewahrt, Zeit mit der Suche nach Schuldigen zu vertun. Und eine Haltung, die sich auch in Modellen sinnvoller Fehlerkultur oder auch im sogenannten agilen Mindset widerspiegelt. Ebenso wie der Punkt aus dem Jetzt heraus zu handeln. Nur wer im Moment ist und wahrnimmt, was jetzt grade ist, kann adäquat agieren. Wer noch mit dem veralteten Plan, dem „Fehler“, der unvorhergesehenen Entwicklung und deren Ablehnung beschäftigt ist, befindet sich kognitiv in der Vergangenheit. Das Leben geht allerdings jetzt weiter.
Echte Kommunikation braucht Präsenz
Als Führungskraft zu improvisieren, beinhaltet auch, dass ich wirklich mit meinen Mitarbeitenden und Kunden interagiere. Wirklich zuhöre und auf Basis des Gehörten antworte. Also in echte Kommunikation trete. Viel zu oft gehen wir mit vorgefassten Meinungen in Gespräche und meinen, wir wüssten, was andere bewegt, was sie antreibt oder was sie denken. Mit dieser Fehlannahme stehen wir uns selbst im Weg. Das gemeinsame Potenzial wird so niemals ausgeschöpft – denn dafür bräuchte es Offenheit, Neugier und den Entschluss, sich überraschen zu lassen. Und es braucht Mut, darauf zu vertrauen, dass wir auch spontan und unvorbereitet gut und angemessen reagieren können.
Sich und den anderen vertrauen
Ein menschliches Grundbedürfnis und die Basis für Improvisationstheater sowie auch für eine gute Zusammenarbeit in Unternehmen ist Vertrauen. Wenn wir vertrauen, fühlen wir uns sicher und können entspannen. Wach und entspannt sind wir am leistungsfähigsten. Wir brauchen Vertrauen, um unsere Komfortzone verlassen zu können. Vertrauen ist somit auch die Grundvoraussetzung für Kreativität und Innovation. In einer Szene auf einer Impro-Theater-Bühne werde ich nur dann meinen inneren Zensor ausschalten und spontan und offen agieren können, wenn ich Vertrauen haben, sowohl in mich als auch in meine Mitspielenden. Und so verhält es sich auch in Teams und Unternehmen. Wenn jeder Fehler potenziell bestraft wird, werde ich niemals auch nur das geringste Risiko eingehen. Und sollte mir dennoch ein „Fehler“ passieren, werde ich versuchen, ihn zu vertuschen oder die "Schuld" abzuwälzen. So entsteht eine Kultur von Un-Offenheit, Vertuschung und Stagnation. Vertrauen stellt sich jedoch nicht von selbst ein, oder weil es im Unternehmensleitbild steht. Vertrauen wächst, durch gemachte Erfahrungen, wie z. B. das persönliche Erleben eines konstruktiven Umgangs mit „Fehlern“ im Unternehmen.
Ob in der Musik, auf der Impro-Theater-Bühne, als Präsentator*in oder als Führungskraft – zu improvisieren, souverän, authentisch und gedankenschnell mit dem Unvorhergesehenen umzugehen, ist die größte Kunst und gleichzeitig die geringste Anstrengung. Und darüber hinaus ist es einfach eine Frage der Übung. So wie niemand innerhalb einer Woche ein Musikinstrument erlernt, so braucht auch das Improvisieren Training, Unterstützung und Feedback.
All die beschriebenen Haltungen lassen sich ausprobieren und durch erfahrungsorientierte Übungen und partielle Unterstützung trainieren. Durch die gemachten Erfahrungen wächst das Vertrauen ins Improvisieren und die damit verbundenen Art, die Welt zu betrachten: Unvorhersehbares ist nicht per se furchteinflößend, sondern vielmehr der Kern von Lebendigkeit. So kann man sich dem natürlichen Fluss des Lebens anvertrauen, statt erfolglos und frustriert mit der Realität zu kämpfen. Gut für Führungskräfte, Mitarbeiter und die Wertschöpfung!
Alle Fragen rund um unser Angebot beantwortet Ihnen
Oliver Hofmann (Geschäftsführer).